Sidney Lumets The Wiz – Das
Zauberhafte Land ist ein nettes Projekt, mit den richtigen
Ambitionen, aber einer wenig gelungenen Umsetzung. Der Film zeichnet
sich durch einen ausschließlich schwarzen Cast aus, sowie viele
schwarze Crewmitglieder. Die Co-Produktion zwischen Universal
Pictures und Motown Records zeigt so etwas wie einen Querschnitt von
schwarzen Entertainern zwischen den frühen Fünfzigern und den
späten Siebzigern. Diana Ross als Dorothy und Michael Jackson als
Scarecrow führen den Cast an. The Wiz ist eine Leinwandadaption des
gleichnamigen Broadwaymusicals, welches eine moderne Interpretation
von Der Zauberer von Oz ist. The Wiz verlegt die Story von Kansas
nach New York und macht aus dem Land Oz kein quietsche-buntes
Märchenland wie in der bekannten Verfilmung mit Judy Garland.
Vielmehr ist Oz eine märchenhafte Version von New York; die
Darstellung von Brooklyn macht klar, dass diese Adaption ein
bestimmtes Publikum ansprechen soll: junge schwarze Menschen, die
sich und ihre Probleme in der Medienwelt der 1970er Jahre nicht
repräsentiert finden. Die Idee ein Musical an ein junges urbanes
Publikum zu richten ist zunächst mal ein lobenswertes Anliegen, die
Umsetzung hingegen wird dem ambitionierten Projekt nicht gerecht.
Regisseur Sidney Lumet, der in den Siebzigern eigentlich wieder einen
kreativen Schub erlebte (Serpico, Network, Hundstage) versagt hier
leider völlig.
Die wohl beste Musiknummer des Films. Michael Jackson - You Can't Win
Der Film beginnt recht abrupt mit einer
grundlos verzweifelten Dorothy (Diana Ross), die sich sichtlich
unwohl mit ihrer familiären Situation fühlt. Um sich der
Hauptdarstellerin Ross anzunähern handelt es sich in der Filmversion
nicht um ein junges Mädchen, sondern um eine Highschoollehrerin
Mitte 20. Leider sieht Ross dank ihrem Mauerblümchenoutfit eher aus
wie Mitte 40. Ein schlecht animierter Tornado schleudert Dorothy aus
Brooklyn in das zauberhafte Land Oz. Dort bekommt sie von einer guten
Hexe den Auftrag die böse Hexe des Westens zu töten, denn diese
terrorisiert seit jeher die Bewohner von Oz. Auf ihrem Weg trifft
Dorothy eine Vogelscheuche (Michael Jackson), einen Blechmann (Nipsey
Russell) und einen feigen Löwen (Ted Ross). Die Storyline selbst
weicht also kaum von der eigentlichen Geschichte ab. Was Oz daher
besonders macht – oder eher besonders machen sollte – ist die
Umsetzung, die Ausstattung, die Musik, die Attitüde. Das Ergebnis
bleibt unbefriedigend, da der Film in vielerlei Hinsicht Potenzial
verschenkt. Diana Ross stellt sich schnell als falsche Wahl heraus.
Ihr Schauspiel ist ungefähr so grausig wie das der jungen Jennifer
Lopez (man erinnere sich an Pleiten wie Money Train) und da Ross als
Hauptdarstellerin extrem viel Screentime besitzt schafft man es kaum
über ihre Leistung hinweg zu sehen. Dagegen wirkt selbst Jacksons
Leistung wie großes Darstellerkino. Leider erweisen sich auch die
Musiknummern, die bei einem Musical natürlich im Fokus stehen
sollten als durchwachsen. Zwar schummeln sich zwischen die furchtbar
schnulzigen Dorothyballaden auch immer wieder jazzige Lichtblicke
oder ein funky Leckerbiss, der große Ohrwurm, der einem nach dem
Film ewig im Gedächtnis herumschwirrt bleibt aber aus. Ross weint
sich durch den ganzen Film, was zwar zu ihrem Musikstil abseits der
Leinwand passt, den Zuschauer aber schnell nervt. Dieser muss sich
daher mit den tollen Nummern von Jackson (You Can't Win), Russell
(Slide Some Oil to Me) sowie der Jazzlegende Lena Horne (Believe in
Yourself) über die extravagante Laufzeit von 130 Minuten retten.
Die technische Seite des Films ist
ebenfalls weder Fisch noch Fleisch. Das Setdesign ist aufwendig,
kreativ und durchweg gelungen. Aus New York wird ein stimmiges
urbanes Oz, das von den bunt blinkenden Wolkenkratzern Manhattans bis
zu der bedrückenden Bedrohlichkeit Brooklyns alles bietet. Lumet
scheint mit der Arbeit seines Setdesigners zufrieden gewesen zu sein,
denn seinem Kameramann gab er den Befehl alles in Totalen
abzufilmen, um auch keinen Dollar umsonst ausgegeben zu haben. Dies
wird leider auch in den Musikszenen durchgezogen. Natürlich gab es
damals noch keine fetzigen, schnell geschnittenen Musikszenen a la
MTV, doch dieses Draufhalten, nimmt den Tanzszenen jedes Leben. Das
Tempo von Jacksons fliegenden Füßen kommt bei den Zuschauern nicht
an und auch die anderen Tanzszenen, sind zwar aufwendig
choreographiert, aber steril und leblos abgefilmt.
„Girl, do you know that you're 24 years old, and you've never been south of 125th Street?“
In seiner Schlussmessage weicht The Wiz
von der allgemein bekannten Der Zauberer von Oz Verfilmung ab, ist
dabei aber leider so schnulzig wie das Original. Während das
Original Dorothy „There's no place like home, There's no place
like home, There's no place like home.“ in den Kopf hämmert, was
wohl gehorsame Kinder schaffen soll, ist die Botschaft von The Wiz
etwas sinnvoller und wenn man das Zielpublikum bedenkt auch
wesentlich wichtiger. Dorothy – die laut Aussage ihrer Mutter ihr Viertel noch nie verlassen hat – lernt am Ende, dass es nichts bringt sich in seinem Zimmer vor
der Welt zu verstecken und so rät sie am Ende dem ängstlichen
Zauberer und gleichzeitig den Kindern vor der Leinwand, dass es dort
draußen eine ganze Welt zu entdecken gibt. Dann fangen natürlich
alle an zu weinen und zerstören einen eigentlich recht gelungenen
Schlussmoment. Was noch positiv auffällt ist, dass die Filmemacher
hier auf eine schreckliche family reunion Szene verzichten. Eine der weniger durchweg guten Entscheidungen von Lumet und Co.
Zusammenfassend kann man sagen, dass es
dem Film ein wenig an attitude fehlt. Soll heißen, dass der Film
einfach zu wenig Biss hat, was man auch daran erkennt, dass ein
eigentlich Konventionen sprengender Schauspieler/Comedian wie Richard
Pryor völlig verschleudert wird, nicht ein bissiger Kommentar, nicht
eine Idee, die sich nicht anbiedert. Für jede gute Szene gibt es
mindestens eine schreckliche, was vor allem an Diana Ross'
unterirdischen Schauspielkünsten liegt. Selbst den teils tollen
Musiknummern wird durch inszenatorische Schwäche jedes Leben
genommen. Die Ausgangsidee ist eine sehr gute, denn viel zu selten
sieht man so große Projekte, die ausschließlich mit schwarzen
Schauspielern auskommen. Der Film ist aufgrund der Prämisse und der
zweifelsohne vorhandenen Highlights durchaus sehenswert, ist aber
nicht der ganz große Coup den man sich bei dieser Grundidee und
diesem talentierten Cast erhofft. Schade ist, dass der Film, der die
bis dato teuerste all-black-cast Produktion Hollywoods war, floppte
und somit für viele Jahre den Weg für ähnlich ambitionierte
Projekte versperrte. Ein schwer zu beurteilendes Stück schwarze
Filmgeschichte.
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