Samstag, 19. Oktober 2013

The Wiz - Das zauberhafte Land



Sidney Lumets The Wiz – Das Zauberhafte Land ist ein nettes Projekt, mit den richtigen Ambitionen, aber einer wenig gelungenen Umsetzung. Der Film zeichnet sich durch einen ausschließlich schwarzen Cast aus, sowie viele schwarze Crewmitglieder. Die Co-Produktion zwischen Universal Pictures und Motown Records zeigt so etwas wie einen Querschnitt von schwarzen Entertainern zwischen den frühen Fünfzigern und den späten Siebzigern. Diana Ross als Dorothy und Michael Jackson als Scarecrow führen den Cast an. The Wiz ist eine Leinwandadaption des gleichnamigen Broadwaymusicals, welches eine moderne Interpretation von Der Zauberer von Oz ist. The Wiz verlegt die Story von Kansas nach New York und macht aus dem Land Oz kein quietsche-buntes Märchenland wie in der bekannten Verfilmung mit Judy Garland. Vielmehr ist Oz eine märchenhafte Version von New York; die Darstellung von Brooklyn macht klar, dass diese Adaption ein bestimmtes Publikum ansprechen soll: junge schwarze Menschen, die sich und ihre Probleme in der Medienwelt der 1970er Jahre nicht repräsentiert finden. Die Idee ein Musical an ein junges urbanes Publikum zu richten ist zunächst mal ein lobenswertes Anliegen, die Umsetzung hingegen wird dem ambitionierten Projekt nicht gerecht. Regisseur Sidney Lumet, der in den Siebzigern eigentlich wieder einen kreativen Schub erlebte (Serpico, Network, Hundstage) versagt hier leider völlig.


Die wohl beste Musiknummer des Films. Michael Jackson - You Can't Win


Der Film beginnt recht abrupt mit einer grundlos verzweifelten Dorothy (Diana Ross), die sich sichtlich unwohl mit ihrer familiären Situation fühlt. Um sich der Hauptdarstellerin Ross anzunähern handelt es sich in der Filmversion nicht um ein junges Mädchen, sondern um eine Highschoollehrerin Mitte 20. Leider sieht Ross dank ihrem Mauerblümchenoutfit eher aus wie Mitte 40. Ein schlecht animierter Tornado schleudert Dorothy aus Brooklyn in das zauberhafte Land Oz. Dort bekommt sie von einer guten Hexe den Auftrag die böse Hexe des Westens zu töten, denn diese terrorisiert seit jeher die Bewohner von Oz. Auf ihrem Weg trifft Dorothy eine Vogelscheuche (Michael Jackson), einen Blechmann (Nipsey Russell) und einen feigen Löwen (Ted Ross). Die Storyline selbst weicht also kaum von der eigentlichen Geschichte ab. Was Oz daher besonders macht – oder eher besonders machen sollte – ist die Umsetzung, die Ausstattung, die Musik, die Attitüde. Das Ergebnis bleibt unbefriedigend, da der Film in vielerlei Hinsicht Potenzial verschenkt. Diana Ross stellt sich schnell als falsche Wahl heraus. Ihr Schauspiel ist ungefähr so grausig wie das der jungen Jennifer Lopez (man erinnere sich an Pleiten wie Money Train) und da Ross als Hauptdarstellerin extrem viel Screentime besitzt schafft man es kaum über ihre Leistung hinweg zu sehen. Dagegen wirkt selbst Jacksons Leistung wie großes Darstellerkino. Leider erweisen sich auch die Musiknummern, die bei einem Musical natürlich im Fokus stehen sollten als durchwachsen. Zwar schummeln sich zwischen die furchtbar schnulzigen Dorothyballaden auch immer wieder jazzige Lichtblicke oder ein funky Leckerbiss, der große Ohrwurm, der einem nach dem Film ewig im Gedächtnis herumschwirrt bleibt aber aus. Ross weint sich durch den ganzen Film, was zwar zu ihrem Musikstil abseits der Leinwand passt, den Zuschauer aber schnell nervt. Dieser muss sich daher mit den tollen Nummern von Jackson (You Can't Win), Russell (Slide Some Oil to Me) sowie der Jazzlegende Lena Horne (Believe in Yourself) über die extravagante Laufzeit von 130 Minuten retten.



Die technische Seite des Films ist ebenfalls weder Fisch noch Fleisch. Das Setdesign ist aufwendig, kreativ und durchweg gelungen. Aus New York wird ein stimmiges urbanes Oz, das von den bunt blinkenden Wolkenkratzern Manhattans bis zu der bedrückenden Bedrohlichkeit Brooklyns alles bietet. Lumet scheint mit der Arbeit seines Setdesigners zufrieden gewesen zu sein, denn seinem Kameramann gab er den Befehl alles in Totalen abzufilmen, um auch keinen Dollar umsonst ausgegeben zu haben. Dies wird leider auch in den Musikszenen durchgezogen. Natürlich gab es damals noch keine fetzigen, schnell geschnittenen Musikszenen a la MTV, doch dieses Draufhalten, nimmt den Tanzszenen jedes Leben. Das Tempo von Jacksons fliegenden Füßen kommt bei den Zuschauern nicht an und auch die anderen Tanzszenen, sind zwar aufwendig choreographiert, aber steril und leblos abgefilmt.

„Girl, do you know that you're 24 years old, and you've never been south of 125th Street?“


In seiner Schlussmessage weicht The Wiz von der allgemein bekannten Der Zauberer von Oz Verfilmung ab, ist dabei aber leider so schnulzig wie das Original. Während das Original Dorothy „There's no place like home, There's no place like home, There's no place like home.“ in den Kopf hämmert, was wohl gehorsame Kinder schaffen soll, ist die Botschaft von The Wiz etwas sinnvoller und wenn man das Zielpublikum bedenkt auch wesentlich wichtiger. Dorothy – die laut Aussage ihrer Mutter ihr Viertel noch nie verlassen hat – lernt am Ende, dass es nichts bringt sich in seinem Zimmer vor der Welt zu verstecken und so rät sie am Ende dem ängstlichen Zauberer und gleichzeitig den Kindern vor der Leinwand, dass es dort draußen eine ganze Welt zu entdecken gibt. Dann fangen natürlich alle an zu weinen und zerstören einen eigentlich recht gelungenen Schlussmoment. Was noch positiv auffällt ist, dass die Filmemacher hier auf eine schreckliche family reunion Szene verzichten. Eine der weniger durchweg guten Entscheidungen von Lumet und Co.




Zusammenfassend kann man sagen, dass es dem Film ein wenig an attitude fehlt. Soll heißen, dass der Film einfach zu wenig Biss hat, was man auch daran erkennt, dass ein eigentlich Konventionen sprengender Schauspieler/Comedian wie Richard Pryor völlig verschleudert wird, nicht ein bissiger Kommentar, nicht eine Idee, die sich nicht anbiedert. Für jede gute Szene gibt es mindestens eine schreckliche, was vor allem an Diana Ross' unterirdischen Schauspielkünsten liegt. Selbst den teils tollen Musiknummern wird durch inszenatorische Schwäche jedes Leben genommen. Die Ausgangsidee ist eine sehr gute, denn viel zu selten sieht man so große Projekte, die ausschließlich mit schwarzen Schauspielern auskommen. Der Film ist aufgrund der Prämisse und der zweifelsohne vorhandenen Highlights durchaus sehenswert, ist aber nicht der ganz große Coup den man sich bei dieser Grundidee und diesem talentierten Cast erhofft. Schade ist, dass der Film, der die bis dato teuerste all-black-cast Produktion Hollywoods war, floppte und somit für viele Jahre den Weg für ähnlich ambitionierte Projekte versperrte. Ein schwer zu beurteilendes Stück schwarze Filmgeschichte.

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