Sonntag, 17. November 2013

Boy

NZ 2010, Regie: Taika Waititi, Drehbuch: Taika Waititi, Darsteller: James Rolleston, Taika Waititi, Luke Crone, Laufzeit: 88 Minuten


Bittere Armut, heruntergekommene Gebäude, Kinder die sich praktisch alleine großziehen. Die Szenerie in Taika Waititis Boy scheint auf den ersten Blick ein perfekter Ausgangspunkt für ein bierernstes Drama über Armut und der Verarmung der neuseeländischen Ureinwohner zu sein. Doch was Regisseur Waititi in seinem zweiten Langfilm präsentiert ist eine fantasievoll erzählte Komödie und eine Art Coming of Age Film zugleich.



Teacher: "Your dad was a good student. Like you. A lot of potential."
Boy: "Hey Mr. Langston, what does the word mean. Potential?"
Teacher: "It's 3:30, mate. I'm off duty."


Boy lebt mit seinem Bruder Rocky und seinen Cousinen irgendwo in der Einöde Neuseelands. Bis zum nächsten Dorf sind es einige Kilometer, Boy ist also ganz für sich und vertreibt sich die Zeit am Strand oder mit seiner Lieblings-Ziege Leaf. Während seine Großmutter, die eigentlich auf die Kinder aufpasst, für einige Tage verreist, weil sie zu einer Beerdigung fahren muss, taucht plötzlich Boys Vater auf, der bis vor Kurzem noch im Gefängnis saß. Boys Vater war für den Jungen immer so etwas wie eine mythifizierte Heldenfigur. Anstatt sich einzugestehen, dass der Vater im Gefängnis sitzt möchte Boy lieber, dass sein Vater Tiefseetaucher oder Schatzsucher ist. Eltern scheinen in der Welt in der Boy und seine Klassenkameraden leben eh nicht wirklich zu existieren, warum also nicht die eigenen Eltern ein wenig ausschmücken. Auch Boys verstorbene Mutter wird in der Fantasie des Jungen zu einem Engel, der schönsten Frau auf der Insel. Als der Vater dann heimkehrt merkt Boy schnell, dass das Bild was er sich die meiste Zeit seines jungen Lebens von seinem Vater aufgebaut hat falsch ist. Trotzdem möchte er dem Vater gefallen, ein guter Sohn sein.



Das alles klingt immer noch recht ernst. Ist es aber nicht. Dank Waititis lockerem Erzählstil und seinem leicht trockenen Humor ist Boy durchweg unterhaltsam und drückt - trotz der vorhandenen ernsten Elemente - nie unnötig auf die Tränendrüse. Der Film ist eben aus der Sicht eines Kindes erzählt und so wie Boy nie in Selbstmitleid versinkt, so ist auch Boy nie eine wirkliche Tragödie. Der enttäuschende Vater, gespielt von Regisseur Waititi selbst, ist auch kein Unmensch. Zwar wäre er gerne ein harter Kerl - möchte er doch von seinem Sohn und seinen Knastbrüdern Shogun genannt werden - ist aber irgendwie nur eine Witzfigur. Der Anführer einer Motorrad-losen Motorradgang. Ein Kiffer. Ein Taugenichts.



Boy ist ein schöner filmischer Einstieg in erste Elemente der Maori-Kultur, zeigt aber vor allem, wie US-amerikanische Popkultur auch in den entlegensten Ecken Neuseelands ankommt und von Maorikindern inkorporiert wird. Der Film spielt 1984. Boys Bruder heißt Rocky, sein Cousin Dallas. Boys großer Held ist Michael Jackson und so fantasiert er sich seinen Vater ins Thriller Outfit und träumt sich so sein Leben zurecht. Sein Vater verspricht ihm ihn in die Stadt zu nehmen und Michael Jackson live zu sehen. Doch Boy wird gegen Ende des Films etwas erwachsen und erkennt zumindest, dass er von seinem Vater keine Hilfe erwarten kann.



Insgesamt ist Boy von Taika Waititi ein sehr gelungener und sehr zugänglicher Einstieg in die aktuelle neuseeländische Filmkultur. Waititi hat mit James Rolleston den richtigen Hauptdarsteller gefunden, der junge Herr spielt wunderbar natürlich und liebenswert. Ein Film voller Fantasy und Komik. Mit einer Art von Humor die sich vor allem über die Erzählweise des Films ausbreitet. Sehr witzig ohne dabei ins Lächerliche abzurutschen: die beste Art von Komödie.


Waititis Kurzfilm Two Cars, One Night hat zwar thematisch nichts mit dem Film zu tun, zeigt aber gut den Humor und Erzählstil von Boy.



Sehr schön auch die Schlussszene: Eine Mischung aus Michael Jacksons Thriller Video und dem traditionellem Maori-Tanz Haka.

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